Selbstreflexivität und Selbsterkenntnis

Veröffentlicht auf von Methusalem


Es ist eine Besonderheit des menschlichen Geistes, über sich selbst nachdenken zu können.

Im günstigen Fall führt dieses Nachdenken zur Klarheit, zur Erfahrung, zu sich selbst zu finden und damit in sich selbst Halt zu finden. Aber zunächst: wenn "ich über mich nachdenke", wer denkt da über wen nach? Was ist denn dieses "Selbst", über das da nachgedacht wird und wo finden sich brauchbare Ansatzpunkte? Wer bin ich denn in Wirklichkeit?

Die Wirklichkeit ist bereits ein Ansatzpunkt, die eigene Geschichte, aber auch hier lässt sich weiter fragen - was ist denn eigentlich Wirklichkeit und wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Wer Erfahrungen mit Vorstellungsrunden gemacht hat, kann vielleicht die Beobachtung bestätigen, dass die meisten sich mit ihrem Namen, ihrem Alter und ihrem Beruf vorstellen, meist kommt noch der Familienstand dazu, Kinder usw. Der eigene Name ist dabei etwas, das wir in der Regel als "zu uns gehörend" wahrnehmen, im inneren Selbstgespräch "spreche ich mich selbst mit meinem Namen an". Dort findet sich eine erste Antwort auf die Frage "wer bin ich?".
Erkannt ist damit allerdings noch nicht sehr viel. Konkreter wird die Frage nach dem eigenen Beruf, den Gründen für die Berufswahl, die Interessen, die damit verbunden sind, die Motive für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit. Persönliche Beziehungen, Freundschaften, Partnerschaft, Familie und Ehe oder eben das Singledasein, Hobbies und Besonderheiten führen schließlich näher an das Individuelle des je eigenen Lebens heran. Spannungsfelder werden sichtbar, Konflikte, die das Leben prägen und die Frage, ob die einzelnen Lebensfelder in einem harmonischen Verhältnis zueinander stehen. Vielleicht zeigt sich hier und da Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben, die überhaupt erst den Anlass für das Nachdenken über sich selbst darstellt.

Wer sich die Bescheidenheit zu eigen macht, die vollständige umfassende Selbsterkenntnis niemals erreichen zu können, wird sich damit begnügen, mehr über sich zu erfahren, das Selbstbild zu ergänzen, zu korrigieren und dadurch authentischer zu werden.
Leider führt das Nachdenken über sich selbst nicht immer zu klaren Einsichten - es kann verwirrend sein, Fragen zu stellen, quälend, keine Antworten zu finden, in endlosen Überlegungen gefangen zu sein. Die Erfahrung, sich selbst irgendwie im Weg zu stehen oder "um sich selbst zu kreisen" kann sehr unangenehm sein. Die einfachste Methode, diesem Dilemma zu entrinnen, ist die Wahl eines konkreten Bezugspunkts. Sich selbst im Bezogensein auf andere Menschen zu reflektieren bietet den sozialen Vergleich als Hilfestellung an. "Der Mensch wird am Du zum Ich", schrieb Martin Buber. Anders formuliert:

"Ich" "an und für mich" "bin" nicht - Identität gibt es nur in der Relation.

 

Veröffentlicht in Lebensentwurfarbeit

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Treffend formuliert.
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