Sich im Kontakt mitteilen können

Veröffentlicht auf von Methusalem

Miteinander sprechen ist immer auch Sprechen über sich und einander. In unserer Sprache ist der Begriff "Miteinander Schreiben" zwar ungebräuchlich, in Anbetracht der Möglichkeiten, sich über E-Mail oder in einem Internetforum auszutauschen, aber durchaus angemessen. Dabei sind Unterschiede zu beachten, die im Vergleich mündlicher und schriftlicher Kommunikation zu Besonderheiten, Vorteilen und Nachteilen der jeweiligen Kommunikationsform führen.

Im schriftlichen Kontakt fehlen die paraverbalen Aspekte der Stimme. Klangfarbe, Betonung, Lautstärke und andere sprecherische Merkmale sind als Ausdrucks- und Nuancierungsaspekte immer auch Möglichkeiten, über den reinen Wortlaut hinaus die innere Befindlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Entsprechend fehlen bei rein schriftlicher Kommunikation die Höreindrücke der paraverbalen Aspekte. Mimik und Gestik fehlen in der schriftlichen Kommunikation ebenfalls - der Einsatz von Grafiken und Emoticons kann allerdings als "symbolischer Ersatz" ergänzende Informationen vermitteln. Das Bemühen, die einzelnen Teilfertigkeiten und Teilfähigkeiten darzustellen, die zum Konstrukt Beziehungsfähigkeit gehören, beginnt mit der Fähigkeit, Erleben zur Sprache zu bringen. So betrachtet ist Beziehungsfähigkeit elementar abhängig von sprachlicher Kompetenz - wer sich nur eingeschränkt ausdrücken, die eigenen Gedanken und das eigene Erleben nur eingeschränkt zum Ausdruck bringen kann, erfährt auch Einschränkungen in der Gestaltungsmöglichkeit sozialer Beziehungen. "Sich mitteilen können" setzt neben der sprachlichen Kompetenz aber auch die Selbst-Kenntnis voraus. Hierzu ein bedenkenswertes Zitat aus dem Thread im Denkforum. 
"Wir kennen uns selbst nicht, weil wir von Geburt an zu hören kriegen, wie wir sein sollen, was wir lernen müssen, was von uns erwartet wird. Wir vertrauen uns selbst nicht, weil unsere Gefühle nicht mit dem was wir "sollen" übereinstimmen, also zieht ein Kind den Schluss, die Gefühle müssen falsch sein." (L., 9.12.07).
Was hier zum Ausdruck gebracht wird, ist die mögliche kommunikative Verzerrung durch Effekte sozialer Erwünschtheit - Selbstdarstellung, die sich sehr stark an sozialen Erwartungen orientiert und der eigenen Selbstwahrnehmung misstraut, ermöglicht keine authentische Mitteilung des inneren Erlebens. Beziehungsfähigkeit setzt damit die Möglichkeit voraus, sich selbst auch dann mitzuteilen, wenn die eigenen Aussagen, das eigene Erleben bzw. die je eigenen Absichten den sozialen Erwartungen nicht oder nicht vollständig entsprechen.

Veröffentlicht in Beziehungsfähigkeit

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