Beziehungsfähigkeit: einem Konstrukt auf der Spur

Veröffentlicht auf von Methusalem

Was ist Beziehungsfähigkeit? Die Beobachtung, dass viele Menschen mit ihren sozialen Beziehungen in Beruf und Privatleben unzufrieden sind, brachte mich auf den Gedanken, dem Konstrukt „Beziehungsfähigkeit“ nachzugehen. Im Denkforum (www.denkforum.at) entstand ein Thread zu diesem Thema. Was sich dabei herausarbeiten lässt, sind subjektive Theorien der Beziehungsfähigkeit, die sich nach einiger Zeit zu einer intersubjektiven Theorie weiterentwickeln lassen. Forschung im Internet? Naturwissenschaftlich orientierte Theoretiker werden Kausalaussagen fordern und das Ganze mit Skepsis betrachten, vielleicht ablehnen. Als Suche nach zunächst existenziellen Hypothesen scheint die Methode auf jeden Fall geeignet, auch Kausalaussagen lassen sich als Hypothesen formulieren und regen vielleicht entsprechende Forschungen im universitären Bereich an. Wichtiger ist mir aber eher das praktische Interesse: Hinweise zu gewinnen, wie sich Beziehungen gestalten lassen, welche Schwierigkeiten dabei auftauchen und welche Haltungen und Orientierungspunkte als handlungsleitende Prinzipien dabei nützlich sind – nicht für die Wissenschaft im Labor, sondern für ganz konkrete Menschen im Alltag. Dort interessiert weniger, welche Hypothese mit welcher repräsentativen Stichprobe auf welchem Signifikanzniveau bestätigt werden konnte – sondern die konkreten Ansatzpunkte für eine „bessere“, „bewusstere“ Gestaltung der je eigenen Beziehungen. Das Bemühen um die Erkenntnis von Sinnzusammenhängen schließt dabei die Suche nach Kausalzusammenhängen ein – ob es angesichts der Vielfalt zwischenmenschlicher Beziehungen leicht ist, solche Kausalaussagen zu formulieren und als das Verhältnis von „abhängigen“ und „unabhängigen“ Variablen zu beschreiben, sei dahingestellt. Die Operationalisierung von Erlebniskategorien ist ein schwieriges methodisches Problem. Die Annahme, dass es etwas menschlicher auf der Welt zugehen würde, wenn es „normal“ wäre, über sich und die je eigene Art, Beziehungen zu gestalten nachzudenken und daran zu arbeiten, deutet dabei das Anliegen der Prävention psychischer und physischer Gewalt an.
Was hilfreich ist, ist hilfreich. Die Frage, warum es hilfreich ist und welche Wirkungszusammenhänge sich dabei im Labor bestätigen lassen, ist und bleibt für den Theoretiker interessant. Für den Praktiker ist es oft – nebensächlich. Handlungswissen beruht oft auf Erfahrung – und scheint der reinen Wissenschaft nur begrenzt zugänglich zu sein. Das folgende Orientierungsmodell ist ein erster Begriffsrahmen, der einzelne Aspekte des Konstrukts benennen soll. Als vorläufige systematische Sammlung werden dabei einzelne Bereiche als Fertigkeiten beschrieben, die Ansatzpunkte für die Diskussion, Reflexion und weitere Ausarbeitung liefern sollen.

  
Orientierungsmodell zum Konstrukt „Beziehungsfähigkeit“
 
  1. Kontakt aufnehmen
Andere Menschen ansprechen können
Um Sympathie werben können
Eigene Rechte in Anspruch nehmen können
Kontakte entwickeln können
 
  1. Sich verständigen
 Im Gespräch zuhören können
Sich im Kontakt mitteilen können
Sich selbst (die eigene Rolle) in einer sozialen Beziehung bestimmen können
Andere Menschen als Sozialpartner wahrnehmen und akzeptieren können
Sich selbst und andere (besser) verstehen können
 
  1. Gemeinsamkeiten entwickeln
 Gemeinsame Themen finden können
Gemeinsame Interessen erkennen können
Gemeinsame Aktivitäten gestalten können
Miteinander sprechen und handeln können
 
  1. Das Miteinander gestalten
Kontakte aufrecht erhalten
Zusammen arbeiten
Zusammen leben
Sich auf andere einstellen können
 
  1. Konflikte bewältigen
Konflikte thematisieren können
Konflikte im Kontakt bewältigen können
Lösungsansätze (gemeinsam) umsetzen können
 
  1. Beziehungsqualität
 Dauerhaftigkeit
Subjektives Wohlbefinden in der Beziehung
Entwicklung und Entfaltung (in) der Beziehung

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