Affirmationen machen stark?

Veröffentlicht auf von Methusalem

Klingt doch einfach, ist doch gut. Autosuggestion mit den richtigen Formulierungen, Affirmationen eben, und alle möglichen Probleme verschwinden. Im Prinzip recht interessant, aber je länger ich darüber nachdenke, umso problematischer wird die Geschichte.

Erfahrungen mit dem Autogenen Training… da gibt es eine nette Formulierung, die da lautet „ich bin ganz ruhig“. Zweifellos, Autogenes Training hilft, ist gut bestätigt und anerkannt, kein Einwand. Es gibt aber auch Personen und Situationen, in denen eine Formulierung wie „ich bin ganz ruhig“ einfach nicht passt. Manchmal bin ich eben einfach nicht ruhig und nehme ich mir selbst einen solchen Satz einfach nicht ab. Auf derselben Linie liegt eine Formulierung wie „es geht mir jeden Tag in jeder Hinsicht besser und besser“. Klingt ja gut – aber nicht für einen Menschen, der an einer fortschreitenden Krankheit leidet, kaum noch Aussicht auf Heilung hat, weil die Medizin an ihre Grenzen gestoßen ist. Affirmationen können passen oder auch nicht – Suggestionen, die nicht individuell glaubwürdig sind, sind vor allem bei kritisch denkenden Menschen einfach nicht wirksam. Ein Beispiel: für mehrere Tausend Euro lässt sich eine Suchttherapie finanzieren, die unter anderem mit Suggestionen arbeitet. „Wenn ich wieder mit dem Trinken anfange, werde ich einen Herzinfarkt bekommen“. Oder so ähnlich. Das wirkt. Eine Zeit lang. Und dann… kommen die kritischen Gedanken… wenn ich das jetzt doch mal ausprobiere..? Der Betreffende hat es wirklich ausprobiert. Hätte er aber wirklich einen Herzinfarkt bekommen und wäre gestorben, dann hätte er mir die Geschichte nicht erzählen können. Tatsache ist – wenn ein Alkoholiker nach längerer Abstinenz Alkohol trinkt, bekommt er in der Regel eben keinen Herzinfarkt nach dem ersten Schluck. Und wenn er den ersten Schluck dann überlebt hat… na, dann kann er ja eigentlich auch weiter trinken… Kurz: Affirmationen können ziemlich daneben sein. Die Logik der Selbsterfüllenden Prophezeiung gilt eben nicht überall und das Stichwort „The Secret“ erwähne ich mal nur am Rande in diesem Zusammenhang.

Gedanken können Gefühle beeinflussen. Gedanken können körperliche Prozesse beeinflussen. In sozialen Situationen können die eigenen Gedanken hilfreich sein oder auch nicht. Sportler können sehr stark von Affirmationen profitieren – wenn sie passen. Wer mit dem Autogenen Training vertraut ist und für sich persönlich eine individuelle Variante entwickelt hat, kann sich damit gut entspannen.

 

Machen Affirmationen stark?

 „Die Welt ist mir wohl gesonnen“ – schön wäre es, sage ich da nur. Es mag Menschen geben, die es gut mir meinen, andere, die es gar nicht gut mit mir meinen und den meisten bin ich sowieso schnurz, weil sie mich gar nicht kennen. „Die Welt steht mir offen“ – das klingt auch gut, aber wie sieht die Realität für Menschen aus, die keinen Schulabschluss haben, immens Probleme haben, einen Job zu finden, im Rollstuhl sitzen oder aus anderen Gründen mit sehr begrenzten Möglichkeiten leben müssen? Es steht eben nicht alles allen offen – und so manchem ist „die Welt“, wer auch immer das sein mag, eben nicht wohl gesonnen. SO einfach ist es also nicht.

Da gab es mal einen, der mit seinem Blog eine Million verdienen wollte… er ist längst verschwunden. Es hat wohl nicht funktioniert. Vielleicht hat er die Methode nicht verstanden?

Ob ein Sportler erfolgreich ist und eine Medaille gewinnt, ob sich ein Karzinom zurückbildet oder nicht, ob ein Mensch mit einer Geschäftsidee erfolgreich ist oder nicht, all dieses hängt von vielen Faktoren ab. Affirmationen können hilfreich sein, aber spätestens dann, wenn sie zum Allheilmittel erklärt werden, weit ab von der Realität die Illusion nähren, mit Positivem Denken allein alles erreichen zu können, hört der Spass auf, die Methode bricht in sich zusammen. Es gibt nun einmal Prozesse auf der Welt, die sich nicht direkt durch unsere Gedanken beeinflussen lassen. Es gibt Ungerechtigkeit, unheilbare Krankheiten, körperliche Grenzen, komplizierte wirtschaftliche Zusammenhänge, die nicht durch eine einzelne Person gesteuert werden können. Brauchbare Affirmationen sind immer auch realistisch – sie stützen Prozesse ab, die möglich sind. Wenn es etwas Angenehmes zu erleben gibt, kann eine Selbstaussage wie „das genieße ich jetzt in vollen Zügen“ durchaus passen und wirken. Habe ich Zeit und Ruhe und sage mir „ich werde langsam immer ruhiger“, dann wirkt der Satz auch. Affirmationen können konstruktive Prozesse auslösen, steuern und stützen. Sie können etwas bewirken – in Grenzen.

Veröffentlicht in Querbeet

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