Soziale Unterstützung: Netzwerkdenken für die Zukunft
Das Thema ist nicht neu, die Realität weit davon entfernt - die klassische Familie ist längst nicht mehr selbstverständlich und die Großfamilie mit mehreren Generationen unter einem Dach existiert kaum noch. Die Trends in der Gesellschaft gehen hin zur Individualisierung und Privatisierung - gleichzeitig aber sind vor allem die persönlichen Blogs ein Zeichen für das Interesse an der Öffnung des Privaten. Dahinter steht ein schlichtes Bedürfnis - allein zu sein macht auf Dauer einsam und was übrig bleibt, ist das Bedürfnis nach Kontakt, nach Kommunikation, nach Gemeinschaft.
Aus einer psychologischen Perspektive ist ein Netzwerk sozialer Unterstützung wünschenswert - nicht nur privat, sondern auch im beruflichen Bereich. Komplexe Aufgaben lassen sich im Team besser bewältigen, das ist eine Einsicht aus der Sozialpsychologie. Und die therapeutische Perspektive zeigt viele Elemente auf, die im Grunde auch außerhalb des therapeutischen Settings möglich sind, eine sehr lange Tradition haben, aber in ihrer Bedeutung kaum wirklich erkannt werden.
Manchmal geht es einfach darum, sich aussprechen zu können. Manchmal ist es an sich schon hilfreich zu wissen, "da ist jemand, mit dem ich mich austauschen kann".
Paare neigen dazu, sich abzugrenzen und zurückzuziehen, Kleinfamilien betrachten sich gern als Einheit, Freundschaften über die Familie hinaus sind ein "Zusatz", für den neben dem Berufsleben wenig Zeit bleibt. Großstädte ermöglichen zwar auf der einen Seite eine Fülle von Kontakten, fördern aber auch die Anonymität - und dabei kann so manche und mancher untergehen, ohne dass es jemand merkt. Was geht mich schon der Nachbar an? Letzten Endes bedeutet es, dass beinahe jede Dienstleistung professionalisiert und ökonomisiert wird, alles kostet Geld, umsonst gibt es nichts.
Was dabei verlorengegangen ist, betrifft den schlichten Gedanken des Dienstleistungstausches, die Selbstverständlichkeit einer Gemeinschaft, die sich um Einzelne kümmert und insgesamt eine Fülle von Kompetenzen weiterzugeben und auszutauschen vermag. Vielleicht lohnt es sich, über neue Formen des Gemeinwesens nachzudenken, die das Gefühl von Zugehörigkeit nicht mehr an familiäre Verwandtschaft koppeln, sondern anderen Prinzipien folgen. Was dabei entstehen könnte, sind Lebensgemeinschaften, die über das Modell der Wohngemeinschaft hinausgehen.
DIe theoretischen Überlegungen dazu sind eine Sache - die praktische Realisierung etwas ganz anderes. Zunächst geht es um den Aufbau sozialer Beziehungen, die entweder aufgabenbezogen (und damit eher funktional), inhaltsbezogen (also auf ein Hobby, eine Sportart oder ähnliches ausgerichtet) oder personbezogen (also auf freundschaftichen Kontakt ausgerichtet) sind. Je konkreter der Gedanke gegenseitiger Unterstützung weitergeführt wird, umso deutlicher dürfte werden, dass wir weit davon entfernt sind, in einer Gesellschaftsordnung zu leben, die den Grundbedürfnissen des Menschen wirklich entspricht. Aber vielleicht genügt ein einfacher Denkanstoss, um die Chancen, die sich bieten, ins Auge zu fassen und weiter zu verfolgen.
s. dazu: Ratlos: Hilfsbedürftigkeit und Stolz