Sind Männer Entspannungsmuffel?
Männer mögen keine Gesundheitskurse, heißt es in einem Artikel zu Angeboten von Entspannungskursen, die von Männern eher gemieden werden. Schade eigentlich, aber auch ein Anlass, über die möglichen Gründe nachzudenken. Vielleicht auch über Methodik und Didaktik, denn im Grunde ist es schade. Thomas Altgeld hat sicher Recht damit, wenn er davon ausgeht, dass die Vorstellung, mit anderen in einem Raum auf einer Decke zu liegen, für Männer erst einmal abschreckend sein kann. Vielleicht gibt es aber auch noch andere Gründe, die auf Männermythen hinweisen - und gegenüber allem, was nach "unmännlich" riecht, zunächst einmal Skepsis aufkommen lässt. Rein "aus dem Bauch heraus" vermute ich, dass viele Männer sehr wohl ihre Form der Entspannung brauchen, suchen und auch finden. Ob das nun ein Spaziergang ist, Musik hören, Fussball gucken oder Angeln - Entspannungsmöglichkeiten gibt es im Grunde viele. Dass die entwickelten Entspannungsverfahren da noch weitaus mehr Tiefgang ermöglichen, muss man vielleicht erst erlebt haben. Wenn da von Decken die Rede ist, tippe ich erstmal auf Angebote zur Progressiven Muskelentspannung - ein Ansatz, der in Deutschland gar nicht so bekannt ist. Entstanden ist er ja auch nicht in Europa und begann auch noch mit Fröschen, genauer gesagt, Froschmuskeln. Das Prinzip ist einfach - Muskeln anspannen und loslassen, ein Muskel, der vorher angespannt wurde, entspannt sich tiefer. Für das Verfahren gibt es ja auch Entspannungs-CDs mit Anleitungen - brauchen wir also Kurse dafür?
Sinnvoll ist es auf jeden Fall, denn eine CD kann man nicht fragen... und Schwierigkeiten können dabei durchaus auftreten. Wer sich selten eine ganze Stunde Zeit nehmen kann oder in bestimmten Körperbereichen stärker und häufiger mit Verspannungen zu tun hat, kann sich eine individuelle Folge von Übungen zusammenstellen - dazu braucht man aber auch etwas Erfahrung.
Schwierig kann es auch werden, wenn körperliche Beschwerden, Narben oder Verletzungen vorliegen - zur Sicherheit ist da die ärztliche Rücksprache im Einzelfall zu empfehlen.
Manche mögen auch die Liegehaltung nicht besonders - wenn man etwas beweglicher ist, kann man als Kursleiter aber viele Übungen so variieren, dass sie auch im Sitzen durchgeführt werden können. Männer tun sich mit solchen Dingen oft leichter, wenn sie in einer reinen Männergruppe langsam Erfahrungen sammeln können - in einer Gruppe von Drogenabhängigen gab es aber auch die zunächst überraschende Beobachtung, dass die Wirkung einer längeren Entspannungsübung mit Musikhintergrund Wirkungen auslöst, die dem einen oder anderen bisher nur unter Drogeneinfluss möglich war. Es liegt auf der Hand, dass diese Erfahrung einen enormen therapeutischen Wert hat. Eine andere Beobachtung ist, dass manche Männer mit Entspannungsübungen überhaupt nicht klar kommen - das kann auch damit zusammenhängen, dass Entspannung generell als "unmännlich" eingeordnet wird, Aktivität also einen so hohen Stellenwert hat, dass Entspannnung eher Unruhe auslöst. Dann ist der Ansatz falsch, direkt in Entspannungsübungen einzusteigen. Vorarbeit also und die Frage des inhaltlichen Zusammenhangs sind methodisch-didaktische Fragen, wenn Krankenkassen "männergerechte" Entspannungskurse anbieten wollen. "Für Entspannung habe ich keine Zeit", mag der eine oder andere denken und könnte dann über die Frage, was im beruflichen Alltag Stress auslöst, langsam zu der Einsicht gelangen, dass Entspannungsübungen sehr wohl ihren Wert haben und die Zeit nicht falsch investiert ist. Geduld ist ein Problem für Aktivisten! Schließlich ist dem einen oder anderen die Zeit kostbar, Verantwortung zu tragen fordert eben seinen Preis... und wenn es auch die Gesundheit ist... die Erfahrung, dass Entspannung zu mehr Ruhe, Ausgeglichenheit und Souveränität führt, muss man(n) eben zuerst einmal gemacht haben. Noch ein Aspekt: wer sich mit Teilnehmerorientierung und Lebensweltbezug beschäftigt hat (was in der Regel eher im Rahmen des Studiengangs Pädagogik ausführlicher reflektiert wird) könnte die Frage stellen, in welchen Zusammenhängen Männer leben. Eine Folge davon könnte sein, dass vor allem schnelle und effiziente Übungen, die mehr oder weniger "nebenbei" praktiziert werden können, im beruflichen Alltag wesentlich leichter zu integrieren sind.
Noch eine Idee: individuelle "Schnupperstunden" anbieten. Einen kurzen Einblick in Entspannungsverfahren wie das Autogene Training oder die Muskelentspannung kann man in wenigen Minuten vermitteln - das ermöglicht einen ersten Eindruck und kann Hemmungen und Befürchtungen abbauen helfen. Wenn Selbsterfahrung abschreckend ist - also bitte, man kann einen Entspannungskurs auch so gestalten, dass niemand etwas von sich preisgeben muss.
Wer sich näher informieren will, findet Hinweise, Videos und Literaturangaben hier und da und dort.
Insgesamt - so ein Kurs ist schon sinnvoll, denn sich alles selbst beizubringen, erfordert sehr viel Selbstdisziplin - und Rückmeldungen sind wichtig, weil man dabei sehr wohl auch Fehler machen kann, Zeit und Hinweise braucht, um das richtige Mass zu finden. Dass ich hier gewissermassen Werbung mache für Entspannungsverfahren hat einen persönlichen Grund: mir geht es gut damit. Und: mit etwas mehr Ruhe und Gelassenheit durch den Alltag zu gehen, das, liebe Männer, tut Eurer Männlichkeit und Eurem Herzen gut.